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Переводы русской литературы
Translations of Russian literature


Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta

Helena tritt auf und Chor gefangener Trojanerinnen.

Panthalis Chorführerin.

Helena.

Bewundert viel und viel gescholten, Helena,
Vom Strande komm’ ich wo wir erst gelandet sind,
Noch immer trunken von des Gewoges regsamem
Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her
Auf sträubig-hohem Rücken, durch Poseidons Gunst
Und Euros Kraft in vaterländische Buchten trug.
Dort unten freuet nun der König Menelas
Der Rückkehr sammt den tapfersten seiner Krieger sich.
Du aber heiße mich willkommen hohes Haus,
Das Tyndareos, mein Vater, nach dem Hange sich
Von Pallas Hügel wiederkehrend aufgebaut;
Und, als ich hier mit Klytämnestren schwesterlich,
Mit Castor auch und Pollux fröhlich spielend wuchs,
Vor allen Häusern Sparta’s herrlich ausgeschmückt.
Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr!
Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst
Geschah’s, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas
In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete.
Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.
Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ,
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört
Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann.

Chor.

Verschmähe nicht, o herrliche Frau,
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert,
Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt.
Dem Helden tönt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz,
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.

Helena.

Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht.
Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin?
Komm’ ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz
Und für der Griechen lang’ erduldetes Mißgeschick?
Erobert bin ich, ob gefangen weiß ich nicht!
Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweydeutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl
Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne saß er gegen mir.
Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad
Hinangefahren, der vordern Schiffe Schnäbel kaum
Das Land begrüßten, sprach er, wie vom Gott bewegt:
Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus,
Ich mustre sie am Strand des Meeres hingereiht,
Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen
Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,
Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck,
Bis daß zur schönen Ebene du gelangen magst,
Wo Lakedämon, einst ein fruchtbar weites Feld,
Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut.
Betrete dann das hochgethürmte Fürstenhaus,
Und mustre mir die Mägde, die ich dort zurück
Gelassen, sammt der klugen alten Schaffnerin.
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn
Das ist des Fürsten Vorrecht, daß er alles treu
In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes wie er’s dort verließ.
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt.

Chor.

Erquicke nun am herrlichen Schatz,
Dem stets vermehrten, Augen und Brust;
Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck
Da ruhn sie stolz und sie dünken sich was;
Doch tritt nur ein und fordre sie auf,
Sie rüsten sich schnell.
Mich freuet zu sehn Schönheit in dem Kampf
Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.

Helena.

Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
Dann nimm so manchen Dreyfuß, als du nöthig glaubst,
Und mancherlei Gefäße, die der Opfrer sich
Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch.
Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund;
Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sey
In hohen Krügen; ferner auch das trockne Holz,
Der Flamme schnell empfänglich, halte da bereit;
Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt;
Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge hin.
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
Lebendigen Athems zeichnet mir der Ordnende,
Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.
Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht,
Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie däucht;
Es möge gut von Menschen, oder möge bös
Geachtet seyn, die Sterblichen wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des erdgebeugten Thieres Nacken weihend auf,
Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte
Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.

Chor.

Was geschehen werde sinnst du nicht aus.
Königin, schreite dahin
Guten Muths!
Gutes und Böses kommt
Unerwartet dem Menschen;
Auch verkündet glauben wir’s nicht.
Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schmählichen Tod;
Und sind wir nicht hier
Dir gesellt, dienstbar freudig,
Schauen des Himmels blendende Sonne
Und das schönste der Erde
Huldvoll, dich, uns Glücklichen!

Helena.

Sey’s wie es sey! Was auch bevorsteht, mir geziemt
Hinaufzusteigen ungesäumt in das Königshaus,
Das lang entbehrt, und viel ersehnt, und fast verscherzt,
Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie.
Die Füße tragen mich so muthig nicht empor
Die hohen Stufen die ich kindisch übersprang.

Chor.

Werfet, o Schwestern, ihr
Traurig gefangenen,
Alle Schmerzen in’s Weite;
Theilet der Herrin Glück,
Theilet Helenens Glück,
Welche zu Vaterhauses Herd,
Zwar mit spät zurückkehrendem,
Aber mit desto festerem
Fuße freudig herannaht.
Preiset die heiligen,
Glücklich herstellenden,
Und heimführenden Götter!
Schwebt der Entbundene
Doch wie auf Fittigen
Ueber das Rauhste, wenn umsonst
Der Gefangene, sehnsuchtsvoll,
Ueber die Zinne des Kerkers hin,
Armausbreitend sich abhärmt.
Aber sie ergriff ein Gott
Die Entfernte;
Und aus Ilios Schutt
Trug er hierher sie zurück
In das alte, das neugeschmückte
Vaterhaus,
Nach unsäglichen
Freuden und Qualen
Früher Jugendzeit
Angefrischt zu gedenken.

Panthalis

(als Chorführerin).

Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad
Und wendet nach der Thüre Flügeln euern Blick.
Was seh’ ich, Schwestern? Kehret nicht die Königin
Mit heftigen Schrittes Regung wieder zu uns her?
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterndes begegnen? Du verbirgst es nicht;
Denn Widerwillen seh’ ich an der Stirne dir,
Ein edles Zürnen, das mit Ueberraschung kämpft.

Helena

(welche die Thürflügel offen gelassen hat, bewegt).

Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht,
Und flüchtig-leise Schreckenshand berührt sie nicht;
Doch das Entsetzen, das dem Schoß der alten Nacht,
Vom Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch
Wie glühende Wolken aus des Berges Feuerschlund
Herauf sich wälzt, erschüttert auch des Helden Brust.
So haben heute grauenvoll die Stygischen
In’s Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern
Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich,
Entlass’nem Gaste gleich, entfernend scheiden mag.
Doch nein! gewichen bin ich her an’s Licht, und sollt’
Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr seyd.
Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag
Des Herdes Gluth die Frau begrüßen wie den Herrn.

Chorführerin.

Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.

Helena.

Was ich gesehen sollt ihr selbst mit Augen sehn,
Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich
Zurück geschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoß.
Doch daß ihr’s wisset, sag’ ich’s euch mit Worten an:
Als ich des Königs-Hauses ernsten Binnenraum,
Der nächsten Pflicht gedenkend, feierlich betrat,
Erstaunt’ ich ob der öden Gänge Schweigsamkeit.
Nicht Schall der emsig wandelnden begegnete
Dem Ohr, nicht raschgeschäftiges Eiligthun dem Blick,
Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin,
Die jeden Fremden freundlich sonst begrüßenden.
Als aber ich dem Schoße des Herdes mich genaht,
Da sah ich, bei verglommener Asche lauem Rest,
Am Boden sitzen welch verhülltes großes Weib,
Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden.
Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf,
Die Schaffnerin mir vermuthend, die indeß vielleicht
Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt;
Doch eingefaltet sitzt die unbewegliche;
Nur endlich rührt sie, auf mein Dräun, den rechten Arm,
Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg.
Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich
Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos
Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;
Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf,
Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich
In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,
Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt.
Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht
Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund
Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.

Phorkyas

(auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend).

Chor.

Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke
Jugendlich wallet mir um die Schläfe!
Schreckliches hab’ ich vieles gesehen,
Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht,
Als es fiel.
Durch das umwölkte, staubende Tosen
Drängender Krieger hört’ ich die Götter
Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht
Eherne Stimme schallen durch’s Feld,
Mauerwärts.
Ach! sie standen noch, Ilios
Mauern, aber die Flammengluth
Zog vom Nachbar zum Nachbar schon,
Sich verbreitend von hier und dort,
Mit des eignen Sturmes Wehn,
Ueber die nächtliche Stadt hin.
Flüchtend sah ich, durch Rauch und Gluth
Und der züngelnden Flamme Lohe
Gräßlich zürnender Götter Nahn,
Schreitend Wundergestalten,
Riesengroß, durch düsteren
Feuerumleuchteten Qualm hin.
Sah ich’s, oder bildete
Mir der angstumschlungene Geist
Solches Verworrene? sagen kann
Nimmer ich’s; doch daß ich dieß
Gräßliche hier mit Augen schau’
Solches gewiß ja weiß ich;
Könnt’ es mit Händen fassen gar,
Hielte von dem Gefährlichen
Nicht zurücke die Furcht mich.
Welche von Phorkys
Töchtern nur bist du?
Denn ich vergleiche dich
Diesem Geschlechte.
Bist du vielleicht der graugebornen,
Eines Auges und Eines Zahns
Wechselsweis theilhaftigen
Graien eine gekommen?
Wagest du Scheusal,
Neben der Schönheit,
Dich vor dem Kennerblick
Phöbus zu zeigen?
Tritt du dennoch hervor nur immer,
Denn das Häßliche schaut Er nicht,
Wie sein heiliges Auge noch
Nie erblickte den Schatten.
Doch uns Sterbliche nöthigt, ach
Leider! trauriges Mißgeschick
Zu dem unsäglichen Augenschmerz,
Den das Verwerfliche, Ewig-unselige
Schönheitliebenden rege macht.
Ja so höre denn, wenn du frech
Uns entgegenest, höre Fluch,
Höre jeglicher Schelte Drohn
Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen,
Die von Göttern gebildet sind.

Phorkyas.

Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:
Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Bis sie zuletzt des Orcus hohle Nacht umfängt,
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.
Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
Mit Uebermuth ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen; also wird’s mit uns geschehn.
Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd?
Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut!
Mannlustige du, so wie verführt, verführende!
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
Herabzustürzen, deckend grünende Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!

Helena.

Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir
Geleistet als die hohe Kraft von Ilios
Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger
Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnoth
Ertrugen, wo sonst jeder sich der nächste bleibt.
Auch hier erwart’ ich gleiches von der muntern Schaar;
Nicht was der Knecht sey, fragt der Herr, nur wie er dient.
Drum schweige du und grinse sie nicht länger an.
Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher,
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.

Phorkyas.

Den Hausgenossen drohen bleibt ein großes Recht,
Das gottbeglückten Herrschers hohe Gattin sich
Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient.
Da du, nun Anerkannte, nun den alten Platz
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
So fasse längst erschlaffte Zügel, herrsche nun,
Nimm in Besitz den Schatz und sämmtlich uns dazu.
Vor allem aber schütze mich die ältere
Vor dieser Schaar, die, neben deiner Schönheit Schwan,
Nur schlecht befittigt schnatterhafte Gänse sind

Chorführerin.

Wie häßlich neben Schönheit zeigt sich Häßlichkeit.

Phorkyas.

Wie unverständig neben Klugheit Unverstand.

(Von hier an erwiedern die Choretiden, einzeln aus dem Chor heraustretend.)

Choretide 1.

Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht.

Phorkyas.

So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.

Choretide 2.

An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheu'r empor.

Phorkyas.

Zum Orcus hin! da suche deine Sippschaft auf.

Choretide 3.

Die dorten wohnen sind dir alle viel zu jung.

Phorkyas.

Tiresias, den Alten, gehe buhlend an.

Choretide 4.

Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.

Phorkyas.

Harpyen, wähn’ ich, fütterten dich im Unflath auf.

Choretide 5.

Mit was ernährst du so gepflegte Magerkeit?

Phorkyas.

Mit Blute nicht, wonach du allzulüstern bist.

Choretide 6.

Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!

Phorkyas.

Vampyren-Zähne glänzen dir im frechen Maul.

Chorführerin.

Das deine stopf’ ich wenn ich sage wer du seyst.

Phorkyas.

So nenne dich zuerst, das Räthsel hebt sich auf.

Helena.

Nicht zürnend, aber trauernd schreit’ ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr
In schnell vollbrachter That wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her,
Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn,
Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,
Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orcus mich
Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz.
Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich’s? Werd’ ich’s künftig seyn,
Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden?
Die Mädchen schaudern, aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort.

Phorkyas.

Wer langer Jahre mannichfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
Du aber, hochbegünstigt, sonder Maß und Ziel,
In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.

Helena.

Entführte mich, ein zehenjährig schlankes Reh,
Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.

Phorkyas.

Durch Castor dann und Pollux aber bald befreit,
Umworben standst du ausgesuchter Helden-Schaar.

Helena.

Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’,
Gewann Patroclus, er, des Peliden Ebenbild.

Phorkyas.

Doch Vaterwille traute dich an Menelas,
Den kühnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.

Helena.

Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm.
Aus ehlichem Beiseyn sproßte dann Hermione.

Phorkyas.

Doch als er fern sich Creta’s Erbe kühn erstritt,
Dir Einsamen da erschien ein allzuschöner Gast.

Helena.

Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft?
Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs!

Phorkyas.

Auch jene Fahrt mir freigebornen Creterin
Gefangenschaft erschuf sie, lange Sclaverey.

Helena.

Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher,
Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz.

Phorkyas.

Die du verließest, Ilios umthürmter Stadt
Und unerschöpften Liebesfreuden zugewandt.

Helena.

Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leid’s
Unendlichkeit ergoß sich über Brust und Haupt.

Phorkyas.

Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild,
In Ilios gesehen und in Aegypten auch.

Helena.

Verwirre wüsten Sinnes Aberwitz nicht gar.
Selbst jetzo, welche denn ich sey, ich weiß es nicht.

Phorkyas.

Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf
Gesellte sich inbrünstig noch Achill zu dir!
Dich früher liebend gegen allen Geschicks Beschluß.

Helena.

Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich.
Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst.
Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol.

(Sinkt dem Halbchor in die Arme.)

Chor.

Schweige, schweige!
Mißblickende, mißredende du!
Aus so gräßlichen einzahnigen
Lippen! was enthaucht wohl
Solchem furchtbaren Gräuelschlund.
Denn der Bösartige wohlthätig erscheinend,
Wolfesgrimm unter schafwolligem Vließ,
Mir ist er weit schrecklicher als des drey-
köpfigen Hundes Rachen.
Aengstlich lauschend stehn wir da,
Wann? wie? wo nur bricht’s hervor
Solcher Tücke
Tiefauflauerndes Ungethüm?
Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten
Letheschenkenden holdmildesten Worts,
Regest du auf aller Vergangenheit
Bösestes mehr denn Gutes,
Und verdüsterst allzugleich,
Mit dem Glanz der Gegenwart,
Auch der Zukunft
Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht.
Schweige, schweige!
Daß der Königin Seele,
Schon zu entfliehen bereit,
Sich noch halte, fest halte
Die Gestalt aller Gestalten
Welche die Sonne jemals beschien.

(Helena hat sich erholt und steht wieder in der Mitte.)

Phorkyas.

Tritt hervor aus flüchtigen Wolken hohe Sonne dieses Tags,
Die verschleiert schon entzückte, blendend nun im Glanze herrscht.
Wie die Welt sich dir entfaltet schaust du selbst mit holdem Blick.
Schelten sie mich auch für häßlich, kenn’ ich doch das Schöne wohl.

Helena.

Tret’ ich schwankend aus der Oede die im Schwindel mich umgab,
Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so müd’ ist mein Gebein:
Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt es wohl,
Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend überrascht.

Phorkyas.

Stehst du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, daß du befiehlest, was befiehlst du? sprich es aus.

Helena.

Eures Haders frech Versäumniß auszugleichen seyd bereit,
Eilt ein Opfer zu bestellen wie der König mir gebot.

Phorkyas.

Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreyfuß, scharfes Beil,
Zum Besprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig’ an.

Helena.

Nicht bezeichnet’ es der König.

Phorkyas.

Sprach’s nicht aus? O Jammerwort!

Helena.

Welch ein Jammer überfällt dich?

Phorkyas.

Königin, du bist gemeint!

Helena.

Ich?

Phorkyas.

Und diese.

Chor.

Weh und Jammer!

Phorkyas.

Fallen wirst du durch das Beil.

Helena.

Gräßlich! doch geahnt, ich Arme!

Phorkyas.

Unvermeidlich scheint es mir.

Chor.

Ach! Und uns? was wird begegnen?

Phorkyas.

Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel trägt,
Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach.

Helena und Chor

(stehen erstaunt und erschreckt, in bedeutender, wohl vorbereiteter Gruppe).

Phorkyas.

Gespenster! – – Gleich erstarrten Bildern steht ihr da,
Geschreckt vom Tag zu scheiden der euch nicht gehört.
Die Menschen, die Gespenster sämmtlich gleich wie ihr,
Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein;
Doch bittet oder rettet niemand sie vom Schluß;
Sie wissen’s alle, wenigen doch gefällt es nur.
Genug ihr seyd verloren! Also frisch an’s Werk.

(Klatscht in die Hände; darauf erscheinen an der Pforte
vermummte Zwerggestalten, welche die ausgesprochenen
Befehle alsobald mit Behendigkeit ausführen.)

Herbei du düstres, kugelrundes Ungethüm,
Wälzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust.
Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz;
Das Beil, es liege blinkend über dem Silberrand;
Die Wasserkrüge füllet, abzuwaschen gibt’s
Des schwarzen Blutes gräuelvolle Besudelung.
Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin,
Damit das Opfer niederkniee königlich,
Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts, sogleich
Anständig würdig, aber doch bestattet sey.

Chorführerin.

Die Königin stehet sinnend an der Seite hier,
Die Mädchen welken gleich gemähtem Wiesengras;
Mir aber däucht, der Aeltesten, heiliger Pflicht gemäß
Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Urälteste.
Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt,
Obschon verkennend hirnlos diese Schaar dich traf.
Drum sage, was du möglich noch von Rettung weißt.

Phorkyas.

Ist leicht gesagt: von der Königin hängt allein es ab
Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr.
Entschlossenheit ist nöthig und die behendeste.

Chor.

Ehrenwürdigste der Parzen, weiseste Sibylle du,
Halte gesperrt die goldne Scheere, dann verkünd’ uns Tag und Heil,
Denn wir fühlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln, unergötzlich
Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergötzten,
Ruhten drauf an Liebchens Brust.

Helena.

Laß diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht;
Doch kennst du Rettung, dankbar sey sie anerkannt.
Dem Klugen, Weitumsichtigen zeigt fürwahr sich oft
Unmögliches noch als möglich. Sprich und sag’ es an! –

Chor.

Sprich und sage, sag’ uns eilig: wie entrinnen wir den grausen,
Garstigen Schlingen, die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide,
Sich um unsre Hälse ziehen? Vorempfinden wir’s, die Armen,
Zum Entathmen, zum Ersticken, wenn du Rhea, aller Götter
Hohe Mutter, dich nicht erbarmst.

Phorkyas.

Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.

Chor.

Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß

Phorkyas.

Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.

Helena.

Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.

Phorkyas.

Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;
Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?

Helena.

Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?

Phorkyas.

So viele Jahre stand verlassen das Thal-Gebirg,
Das hinter Sparta nordwärts in die Höhe steigt,
Taygetos im Rücken, wo als muntrer Bach
Herab Eurotas rollt und dann durch unser Thal
An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt.
Dort hinten still im Gebirgthal hat ein kühn Geschlecht
Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht,
Und unersteiglich feste Burg sich aufgethürmt,
Von da sie Land und Leute placken wie’s behagt.

Helena.

Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint’s.

Phorkyas.

Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s.

Helena.

Ist Einer Herr? sind’s Räuber viel, Verbündete?

Phorkyas.

Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr.
Ich schelt’ ihn nicht und wenn er schon mich heimgesucht.
Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begnügt er sich
Mit wenigen Freigeschenken, nannt’ er’s, nicht Tribut.

Helena.

Wie sieht er aus?

Phorkyas.

Nicht übel! mir gefällt er schon.
Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,
Wie unter Griechen wenig, ein verständiger Mann.
Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht
Daß grausam einer wäre, wie vor Ilios
Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies.
Ich acht’ auf seine Großheit, ihm vertraut’ ich mich.
Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn!
Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk
Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt,
Cyklopisch wie Cyklopen, rohen Stein sogleich
Auf rohe Steine stürzend; dort hingegen, dort
Ist alles senk- und wagerecht und regelhaft.
Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor,
So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl.
Zu klettern hier – ja selbst der Gedanke gleitet ab.
Und innen großer Höfe Raumgelasse, rings
Mit Baulichkeit umgeben aller Art und Zweck.
Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen,
Altane, Galerie’n zu schauen aus und ein,
Und Wappen.

Chor.

Was sind Wappen?

Phorkyas.

Ajax führte ja
Geschlungne Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn.
Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerey’n
Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll.
Da sah man Mond und Stern’ am nächtigen Himmelsraum,
Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch,
Und was Bedrängliches guten Städten grimmig droht.
Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschaar
Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz.
Da seht ihr Löwen, Adler, Klau’ und Schnabel auch,
Dann Büffelhörner, Flügel, Rosen, Pfauenschweif,
Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und roth.
Dergleichen hängt in Sälen Reih’ an Reihe fort,
In Sälen, gränzenlosen, wie die Welt so weit;
Da könnt ihr tanzen!

Chor.

Sage, gibt’s auch Tänzer da?

Phorkyas.

Die besten! goldgelockte, frische Bubenschaar;
Die duften Jugend! Paris duftete einzig so,
Als er der Königin zu nahe kam.

Helena.

Du fällst
Ganz aus der Rolle, sage mir das letzte Wort!

Phorkyas.

Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja!
Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg.

Chor.

O sprich
Das kurze Wort! und rette dich und uns zugleich.

Helena.

Wie? sollt’ ich fürchten, daß der König Menelas
So grausam sich verginge mich zu schädigen?

Phorkyas.

Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,
Des todtgekämpften Paris Bruder, unerhört
Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt
Und glücklich kebs’te; Nas’ und Ohren schnitt er ab
Und stümmelte mehr so; Gräuel war es anzuschaun.

Helena.

Das that er jenem, meinetwegen that er das.

Phorkyas.

Um jenes willen wird er dir das Gleiche thun.
Untheilbar ist die Schönheit; der sie ganz besaß
Zerstört sie lieber, fluchend jedem Theilbesitz.
(Trompeten in der Ferne, der Chor fährt zusammen.)
Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid’
Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht
Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt
Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt.

Chor.

Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?

Phorkyas.

Sey willkommen Herr und König, gerne geb’ ich Rechenschaft.

Chor.

Aber wir?

Phorkyas.

Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod,
Merkt den eurigen da drinne; nein, zu helfen ist euch nicht.

(Pause.)

Helena.

Ich sann mir aus das Nächste was ich wagen darf.
Ein Widerdämon bist du, das empfind’ ich wohl,
Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um.
Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;
Das andre weiß ich; was die Königin dabei
In tiefem Busen geheimnißvoll verbergen mag,
Sey jedem unzugänglich. Alte! geh’ voran.

Chor.

O wie gern gehen wir hin,
Eilenden Fußes;
Hinter uns Tod,
Vor uns abermals
Ragender Veste
Unzugängliche Mauer.
Schütze sie eben so gut,
Eben wie Ilios Burg,
Die doch endlich nur
Niederträchtiger List erlag.

(Nebel verbreiten sich, umhüllen den Hintergrund, auch die Nähe, nach Belieben.)

Schwestern schaut euch um!
War es nicht heiterer Tag?
Nebel schwanken streifig empor
Aus Eurotas heil’ger Fluth;
Schon entschwand das liebliche
Schilfumkränzte Gestade dem Blick,
Auch die frei, zierlich-stolz
Sanfthingleitenden Schwäne
In gesell’ger Schwimmlust
Seh’ ich, ach, nicht mehr!
Doch, aber doch
Tönen hör’ ich sie,
Tönen fern heiseren Ton!
Tod verkündenden sagen sie;
Ach daß uns er nur nicht auch,
Statt verheißener Rettung Heil,
Untergang verkünde zuletzt,
Uns den schwangleichen, lang-
Schön weißhalsigen, und ach!
Uns’rer Schwanerzeugten.
Weh uns, weh, weh!
Alles deckte sich schon
Rings mit Nebel umher.
Sehen wir doch einander nicht!
Was geschieht? gehen wir?
Schweben wir nur
Trippelnden Schrittes am Boden hin?
Siehst du nichts? schwebt nicht etwa gar
Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab
Heischend, gebietend uns wieder zurück
Zu dem unerfreulichen, grautagenden,
Ungreifbarer Gebilde vollen,
Ueberfüllten, ewig leeren Hades?
Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel
Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke
Freiem Blicke starr entgegen. Ist’s ein Hof? ist’s tiefe Grube?
Schauerlich in jedem Falle! Schwestern ach! wir sind gefangen,
So gefangen wie nur je.

(Innerer Burghof, umgeben von reichen phantastischen Gebäuden des Mittelalters.)

Chorführerin.

Vorschnell und thöricht, ächt wahrhaftes Weibsgebild!
Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung
Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je
Zu bestehn mit Gleichmuth. Eine widerspricht ja stets
Der andern heftig, überquer die andern ihr;
In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Ton’s.
Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin
Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.

Helena.

Wo bist du Pythonissa? heiße wie du magst,
Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg.
Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;
Beschluß der Irrfahrt wünsch’ ich, Ruhe wünsch’ ich nur.

Chorführerin.

Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;
Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht
Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,
Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.
Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth
Der wundersam aus vielen eins gewordnen Burg,
Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.
Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits
In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch
Sich hin und her bewegend viele Dienerschaft,
Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.

Chor.

Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin,
Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt
Jungholdeste Schaar anständig bewegt
Den geregelten Zug. Wie? auf wessen Befehl
Nur erscheinen gereiht und gebildet so früh,
Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?
Was bewundr’ ich zumeist! Ist es zierlicher Gang,
Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,
Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche roth,
Und eben auch so weichwollig beflaumt?
Gern biß ich hinein, doch ich schaudre davor,
Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund
Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.
Aber die schönsten
Sie kommen daher;
Was tragen sie nur?
Stufen zum Thron,
Teppich und Sitz,
Umhang und zelt-
artigen Schmuck,
Ueber überwallt er,
Wolkenkränze bildend,
Unsrer Königin Haupt;
Denn schon bestieg sie
Eingeladen herrlichen Pfühl.
Tretet heran,
Stufe für Stufe,
Reihet euch ernst.
Würdig, o würdig, dreyfach würdig
Sey gesegnet ein solcher Empfang!

(Alles vom Chor Ausgesprochene geschieht nach und nach.)

Faust.

(Nachdem Knaben und Knappen in langem Zug herabgestiegen,
erscheint er oben an der Treppe in ritterlicher Hofkleidung des Mittelalters
und kommt langsam würdig herunter.)

Chorführerin

(ihn aufmerksam beschauend).

Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun,
Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,
Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart
Vorübergänglich liehen; wird ihm jedesmal
Was er beginnt gelingen, sey’s in Männerschlacht,
So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n.
Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,
Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.
Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt
Seh’ ich den Fürsten; wende dich, o Königin!

Faust

(herantretend, einen Gefesselten zur Seite).

Statt feierlichsten Grußes, wie sich ziemte,
Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring’ ich dir
In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht,
Der, Pflicht verfehlend, mir die Pflicht entwand.
Hier kniee nieder! dieser höchsten Frau
Bekenntniß abzulegen deiner Schuld.
Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann
Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm
Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum
Und Erdenbreite scharf zu überspähn,
Was etwa da und dort sich melden mag,
Vom Hügelkreis in’s Thal zur festen Burg
Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s,
Ein Heereszug vielleicht; wir schützen jene,
Begegnen diesem. Heute, welch Versäumniß!
Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt
Ist ehrenvollster schuldigster Empfang
So hohen Gastes. Freventlich verwirkt
Das Leben hat er, läge schon im Blut
Verdienten Todes; doch nur du allein
Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt.

Helena.

So hohe Würde wie du sie vergönnst,
Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s
Versuchend nur, wie ich vermuthen darf,
So üb’ ich nun des Richters erste Pflicht
Beschuldigte zu hören. Rede denn!

Thurmwächter, Lynceus.

Laß mich knieen, laß mich schauen,
Laß mich sterben, laß mich leben,
Denn schon bin ich hingegeben
Dieser gottgegebnen Frauen.
Harrend auf des Morgens Wonne,
Oestlich spähend ihren Lauf,
Ging auf einmal mir die Sonne
Wunderbar im Süden auf.
Zog den Blick nach jener Seite,
Statt der Schluchten, statt der Höhn,
Statt der Erd- und Himmelsweite,
Sie die Einzige zu spähn.
Augenstrahl ist mir verliehen
Wie dem Luchs auf höchstem Baum;
Doch nun mußt’ ich mich bemühen
Wie aus tiefem düsterm Traum.
Wüßt’ ich irgend mich zu finden?
Zinne? Thurm? geschloss’nes Thor?
Nebel schwanken, Nebel schwinden,
Solche Göttin tritt hervor!
Aug’ und Brust ihr zugewendet
Sog ich an den milden Glanz,
Diese Schönheit, wie sie blendet,
Blendete mich Armen ganz.
Ich vergaß des Wächters Pflichten,
Völlig das beschworne Horn;
Drohe nur mich zu vernichten,
Schönheit bändigt allen Zorn.


Theil 2. Akt 3. Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta. «Faust» Goethe.

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Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta (Fortsetzung) »





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Фрэнсис Бэкон

Без чтения нет настоящего образования, нет и не может быть ни вкуса, ни слова, ни многосторонней шири понимания; Гёте и Шекспир равняются целому университету. Чтением человек переживает века.
Александр Герцен



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