umgeben von Gewässern und Nymphen.
Peneios.
Rege dich du Schilfgeflüster!
Hauche leise Rohrgeschwister,
Säuselt leichte Weidensträuche,
Lispelt Pappelzitterzweige
Unterbrochnen Träumen zu!
Weckt mich doch ein grauslich Wittern,
Heimlich allbewegend Zittern
Aus dem Wallestrom und Ruh.
Faust
(an dem Fluß tretend).
Hör’ ich recht, so muß ich glauben:
Hinter den verschränkten Lauben
Dieser Zweige, dieser Stauden
Tönt ein menschenähnlichs Lauten.
Scheint die Welle doch ein Schwätzen,
Lüftlein wie – ein Scherzergötzen.
Nymphen (zu Faust).
Am besten geschäh’ dir
Du legtest dich nieder,
Erholtest im Kühlen
Ermüdete Glieder,
Genössest der immer
Dich meidenden Ruh;
Wir säuseln, wir rieseln,
Wir flüstern dir zu.
Faust.
Ich wache ja! O laßt sie walten
Die unvergleichlichen Gestalten
Wie sie dorthin mein Auge schickt.
So wunderbar bin ich durchdrungen!
Sind’s Träume? Sind’s Erinnerungen?
Schon einmal warst du so beglückt.
Gewässer schleichen durch die Frische
Der dichten, sanft bewegten Büsche,
Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;
Von allen Seiten hundert Quellen
Vereinen sich, im reinlich hellen,
Zum Bade flach vertieften Raum.
Gesunde junge Frauenglieder
Vom feuchten Spiegel doppelt wieder
Ergötztem Auge zugebracht!
Gesellig dann und fröhlich badend,
Erdreistet schwimmend, furchtsam watend;
Geschrei zuletzt und Wasserschlacht.
Begnügen sollt’ ich mich an diesen,
Mein Auge sollte hier genießen,
Doch immer weiter strebt mein Sinn.
Der Blick dringt scharf nach jener Hülle,
Das reiche Laub der grünen Fülle
Verbirgt die hohe Königin.
Wundersam! auch Schwäne kommen
Aus den Buchten hergeschwommen,
Majestätisch rein bewegt.
Ruhig schwebend, zart gesellig,
Aber stolz und selbstgefällig
Wie sich Haupt und Schnabel regt…
Einer aber scheint vor allen
Brüstend kühn sich zu gefallen,
Segelnd rasch durch alle fort;
Sein Gefieder bläht sich schwellend,
Welle selbst auf Wogen wellend,
Dringt er zu dem heiligen Ort…
Die andern schwimmen hin und wieder
Mit ruhig glänzendem Gefieder,
Bald auch in regem prächtigen Streit
Die scheuen Mädchen abzulenken,
Daß sie an ihren Dienst nicht denken,
Nur an die eigne Sicherheit.
Nymphen.
Leget Schwestern euer Ohr
An des Ufers grüne Stufe;
Hör’ ich recht so kommt mir’s vor
Als der Schall von Pferdes Hufe.
Wüßt’ ich nur, wer dieser Nacht
Schnelle Botschaft zugebracht.
Faust.
Ist mir doch als dröhnt die Erde
Schallend unter eiligem Pferde.
Dorthin mein Blick!
Ein günstiges Geschick
Soll es mich schon erreichen?
O Wunder ohne Gleichen!
Ein Reiter kommt herangetrabt,
Er scheint von Geist und Muth begabt,
Von blendend-weißem Pferd getragen…
Ich irre nicht, ich kenn’ ihn schon,
Der Philyra berühmter Sohn! –
Halt Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen…
Chiron.
Was gibt’s? Was ist’s?
Faust.
Bezähme deinen Schritt!
Chiron.
Ich raste nicht.
Faust.
So bitte! Nimm mich mit!
Chiron.
Sitz’ auf! so kann ich nach Belieben fragen:
Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
Ich bin bereit dich durch den Fluß zu tragen.
Faust (aufsitzend).
Wohin du willst. Für ewig dank’ ich’s dir…
Der große Mann, der edle Pädagog,
Der, sich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog,
Den schönen Kreis der edlen Argonauten,
Und alle die des Dichters Welt erbauten.
Chiron.
Das lassen wir an seinem Ort!
Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;
Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort
Als wenn sie nicht erzogen wären.
Faust.
Den Arzt der jede Pflanze nennt,
Die Wurzeln bis in’s Tiefste kennt,
Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft,
Umarm’ ich hier in Geist- und Körperkraft!
Chiron.
Ward neben mir ein Held verletzt,
Da wußt’ ich Hülf’ und Rath zu schaffen;
Doch ließ ich meine Kunst zuletzt
Den Wurzelweibern und den Pfaffen.
Faust.
Du bist der wahre große Mann
Der Lobeswort nicht hören kann.
Er sucht bescheiden auszuweichen
Und thut als gäb’ es Seinesgleichen.
Chiron.
Du scheinest mir geschickt zu heucheln,
Dem Fürsten wie dem Volk zu schmeicheln.
Faust.
So wirst du mir denn doch gestehn:
Du hast die Größten deiner Zeit gesehn,
Dem Edelsten in Thaten nachgestrebt,
Halbgöttlich-ernst die Tage durchgelebt.
Doch unter den heroischen Gestalten
Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?
Chiron.
Im hehren Argonautenkreise
War jeder brav nach seiner eignen Weise,
Und, nach der Kraft die ihn beseelte,
Konnt’ er genügen wo’s den andern fehlte.
Die Dioskuren haben stets gesiegt
Wo Jugendfüll’ und Schönheit überwiegt.
Entschluß und schnelle That zu andrer Heil,
Den Boreaden ward’s zum schönen Theil.
Nachsinnend, kräftig, klug, im Rath bequem,
So herrschte Jason, Frauen angenehm.
Dann Orpheus, zart und immer still bedächtig
Schlug er die Leyer Allen übermächtig.
Scharfsichtig Lynceus, der, bei Tag und Nacht,
Das heilige Schiff durch Klipp’ und Strand gebracht.
Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben:
Wenn einer wirkt, die andern alle loben.
Faust.
Von Hercules willst nichts erwähnen?
Chiron.
O weh! errege nicht mein Sehnen…
Ich hatte Phöbus nie gesehn,
Noch Ares, Hermes, wie sie heißen;
Da sah ich mir vor Augen stehn
Was alle Menschen göttlich preisen.
So war er ein geborner König,
Als Jüngling herrlichst anzuschaun;
Dem ältern Bruder unterthänig
Und auch den allerliebsten Fraun.
Den zweyten zeugt nicht Gäa wieder;
Nicht führt ihn Hebe himmelein;
Vergebens mühen sich die Lieder,
Vergebens quälen sie den Stein.
Faust.
So sehr auch Bildner auf ihn pochen,
So herrlich kam er nie zur Schau.
Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
Nun sprich auch von der schönsten Frau!
Chiron.
Was!… Frauen-Schönheit will nichts heißen,
Ist gar zu oft ein starres Bild;
Nur solch ein Wesen kann ich preisen
Das froh und lebenslustig quillt.
Die Schöne bleibt sich selber selig;
Die Anmuth macht unwiderstehlich,
Wie Helena, da ich sie trug.
Faust.
Du trugst sie?
Chiron.
Ja, auf diesem Rücken.
Faust.
Bin ich nicht schon verwirrt genug,
Und solch ein Sitz muß mich beglücken!
Chiron.
Sie faßte so mich in das Haar
Wie du es thust.
Faust.
O ganz und gar
Verlier’ ich mich! Erzähle wie?
Sie ist mein einziges Begehren!
Woher, wohin, ach, trugst du sie?
Chiron.
Die Frage läßt sich leicht gewähren.
Die Dioskuren hatten jener Zeit
Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit.
Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,
Ermannten sich und stürmten hinterdrein.
Da hielten der Geschwister eiligen Lauf
Die Sümpfe bei Eleusis auf;
Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
Da sprang sie ab und streichelte
Die feuchte Mähne, schmeichelte
Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt.
Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!
Faust.
Erst sieben Jahr!…
Chiron.
Ich seh’ die Philologen,
Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.
Ganz eigen ist’s mit mythologischer Frau:
Der Dichter bringt sie, wie er’s braucht, zur Schau;
Nie wird sie mündig, wird nicht alt,
Stets appetitlicher Gestalt,
Wird jung entführt, im Alter noch umfreit;
G’nug, den Poeten bindet keine Zeit.
Faust.
So sey auch sie durch keine Zeit gebunden!
Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden
Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück:
Errungen Liebe gegen das Geschick!
Und sollt’ ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt,
In’s Leben ziehn die einzigste Gestalt?
Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig,
So groß als zart, so hehr als liebenswürdig.
Du sahst sie einst, heut hab’ ich sie gesehn,
So schön wie reizend, wie ersehnt so schön.
Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen,
Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.
Chiron.
Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt;
Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
Nun trifft sich’s hier zu deinem Glücke;
Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
Pfleg’ ich bei Manto vorzutreten,
Der Tochter Aesculaps; im stillen Beten
Fleht sie zum Vater: daß, zu seiner Ehre,
Er endlich doch der Aerzte Sinn verkläre
Und vom verwegnen Todtschlag sie bekehre.
Die liebste mir aus der Sibyllengilde;
Nicht fratzenhaft bewegt, wohlthätig milde;
Ihr glückt es wohl, bei einigem Verweilen,
Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen.
Faust.
Geheilt will ich nicht seyn! mein Sinn ist mächtig!
Da wär’ ich ja wie andre niederträchtig.
Chiron.
Versäume nicht das Heil der edlen Quelle!
Geschwind herab! Wir sind zur Stelle.
Faust.
Sag’ an! Wohin hast du, in grauser Nacht,
Durch Kiesgewässer, mich an’s Land gebracht?
Chiron.
Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite,
Peneios rechts, links den Olymp zur Seite,
Das größte Reich das sich im Sand verliert.
Der König flieht, der Bürger triumphirt.
Blick’ auf! hier steht, bedeutend nah,
Im Mondenschein der ewige Tempel da.
Manto
(inwendig träumend).
Von Pferdes-Hufe
Erklingt die heilige Stufe,
Halbgötter treten heran.
Chiron.
Ganz recht!
Nur die Augen aufgethan!
Manto (erwachend).
Willkommen! ich seh’ du bleibst nicht aus.
Chiron.
Steht dir doch auch dein Tempelhaus!
Manto.
Streifst du noch immer unermüdet?
Chiron.
Wohnst du doch immer still umfriedet,
Indeß zu kreisen mich erfreut.
Manto.
Ich harre, mich umkreis’t die Zeit.
Und dieser?
Chiron.
Die verruf’ne Nacht
Hat strudelnd ihn hierher gebracht.
Helenen mit verrückten Sinnen,
Helenen, will er sich gewinnen,
Und weiß nicht wie und wo beginnen;
Asklepischer Cur vor andern werth.
Manto.
Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt.
Chiron
(ist schon weit weg).
Manto.
Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen!
Der dunkle Gang führt zu Persephoneien.
In des Olympus hohlem Fuß
Lauscht sie geheim verbotnem Gruß.
Hier hab’ ich einst den Orpheus eingeschwärzt,
Benutz’ es besser, frisch! beherzt!
(Sie steigen hinab.)
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